Marken-Purpose für mittelständische Unternehmen (Teil 2):

Mittelstand braucht kein Mittelmaß

Spricht man mit mittelständischen B2B-Unternehmen über die Bedeutung von strategischen Themen wie Unternehmens- und Marken-Purpose, erlebt man nicht selten eine distanzierte Haltung oder erhält die Antwort, mit dem Thema wenig oder gar nicht vertraut zu sein. Dies verwundert nicht, da die allgemeine Purpose-Diskussion bisweilen in einer elitären Blase stattzufinden scheint, zu der nicht alle einen unmittelbaren Zugang finden. Als kleineres oder mittleres Familienunternehmen ist man gefühlt oft außen vor. Tenor: zu weit weg und daher vermutlich nicht relevant. Wenn Mittelständler dennoch bereit sind, sich auf einen solch aufwendigen strategischen Prozess einzulassen, leiden die Ergebnisse häufig darunter, dass auch mit externer Unterstützung Konzepte erarbeitet werden, die in ihrer Formulierung eher unspezifisch und beliebig sind. Man lässt sich überzeugen von einem nicht konsequent zu Ende gedachten Konzept und erlebt schon bald, dass dieses unterschiedlich interpretiert wird. Ungenaue oder inhaltsleere Formulierungen findet man – unterstützt von Beratern – in vielen Bereichen der Marken- und Kommunikationsstrategie quer durch die mittelständische Unternehmenslandschaft.

Sinnschwache Begriffe schaffen keine Orientierung

Viele mittelständische Unternehmen haben selbst oder mit externer Unterstützung inhaltliche Unternehmensleitlinien entwickelt. Dies betrifft solch wichtige Themen wie Vision, Mission und Werte. Oft beginnt bereits hier die Spirale einer gefährlichen Sinnentleerung. Ein paar Beispiele, die leider an der Tagesordnung sind: „Wir gestalten Zukunft heute“ steht neben anderen Begriffen im sogenannten Wertekodex eines großen mittelständischen Zuliefererunternehmens. „Gemeinsam die Zukunft gestalten“ (Womit?) bei zwei anderen Unternehmen, die zu allem Überfluss in der gleichen Region beheimatet sind. „Kundenorientierung“ reklamiert ein Unternehmen aus der IT-Branche für seine Werte oder „Begeisterung“ eine Anzahl von Unternehmen aus der Immobilienbranche. Es fällt schwer, zu verstehen, wie man ohne Kundenorientierung erfolgreich sein will, und man fragt sich, ob Begeisterung nicht vielmehr ein Resultat von positiven Erlebnissen oder anderen Voraussetzungen ist, die es erst einmal zu schaffen gilt.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlichkeiten, falsch oder kurz gedachte Begriffe sind durchaus ein Phänomen unserer Gesellschaft. Auf politischer Ebene findet man tagtäglich schnell geschossene Worthülsen, die am nächsten Tag einkassiert werden. Und beispielsweise in der Sportberichterstattung werden viele Aktionen reflexartig als historisch zertifiziert, die sich beim genauen Hinsehen als wenig bedeutend erweisen. Schnellschüsse und Oberflächlichkeiten haben Konjunktur, auch in der Unternehmenskommunikation. Großunternehmen stellen mitunter beträchtliche Mittel hinter beliebige und ungenaue Formulierungen, sodass sie in der Kommunikation nur allein deswegen überhaupt wahrgenommen werden. Für Unternehmen im Mittelstand kann das fatal sein, Megabudgets sind hier nun mal nicht die Regel.

Einer aktuellen Studie zufolge sinkt die Attraktivität der mittelständischen Unternehmen für Bewerber*innen derzeit signifikant: bei Akademiker*innen um fast 20 Prozent (Trendence Institut). Auch das ist ein Ansporn, in der Unternehmenskommunikation attraktiver, präziser und verbindlicher zu werden. Es fehlt zu oft an prägnanten und eigenständigen Ideen, die verständlich sind, relevant und zudem Identifikationspotenzial bieten. Vieles nutzt sich in kurzer Zeit ab, und mit wenig Budget kann hier eben kein dauerhaftes Leben eingehaucht werden.

Sich der Bedeutung von Kommunikation bewusster werden

Gute Kommunikation ist kein Beiwerk, sondern eine reale Verantwortung für Agenturen, die den Mittelstand beraten. Denn bei der Entwicklung und Definition von Unternehmenswerten bis hin zum komplexen Purpose-Thema bewegt man sich sonst auf ziemlich dünnem Eis. Purpose ist das Gegenteil von Oberflächlichkeit und verlangt gerade im Mittelstand vor allem nach Machbarkeit und nach – ja – Zugewandtheit in der Beratungsleistung. Mittelstand ist nicht Mittelmaß, sondern braucht in der täglichen Arbeit auch von externer Seite eine verbindliche Anstrengung bei der Formulierung und Beachtung von Details. Das schafft Vertrauen und Akzeptanz. Unterstützende Agenturarbeit auch für Überlegungen zum Purpose sollte daher erst einmal ein besseres Verständnis für das Thema im Kontext anderer strategischer Elemente vermitteln und dieses aus einer noch elitären Blase in die Realität des individuellen mittelständischen Unternehmens holen. Und zum anderen: Das eigene Anspruchsniveau an gute Kommunikation sollte immer hinterfragt und diese in verstehbare, eigenständige und machbare Konzepte jenseits der Beliebigkeit umgesetzt werden.

Vereinfachte Definition unternehmensstrategischer Dimensionen:

 

Christoph Kämpfer,
Strategische Markenkommunikation